„Cartoons sind old school“

Interview mit Zeichner Wolf-Rüdiger Marunde

Fortsetzung „Das Wendland ist nicht der Nabel der Welt“

Hauptberuflich beim Stern, gleich als ersten Job?
Jede Woche vier Zeichnungen, allerdings kleinformatig und schwarzweiß. Der Humor-Chef hat mich nach einem Jahr zur Brigitte vermittelt, die jemanden für ein ganz neues Format suchten. Die Brigitte wollte einen ganzseitigen farbigen Cartoon etablieren.

Und Sie waren der Richtige?
Offenbar ja. Ich habe mit großformatigen malerischen Cartoons in Aquarelltechnik begonnen, ein Novum damals. Nebenbei arbeitete ich weiterhin für die Titelbildredaktion des Stern als Porträtkarikaturist und Illustrator politischer Themen.

Altmeisterlich, diesen Begriff verwenden Journalisten gern, wenn es darum geht, Ihre Malweise zu beschreiben.
Das höre ich nicht so gern. Die Alten Meister konnten weitaus mehr als das, was ich mache.

Trotzdem hat Sie Ihre Art zu malen zum Star gemacht. Was haben Sie anders gemacht als die anderen?
Die Bezeichnung Star finde ich etwas übertrieben, aber danke für die Blumen. Ich wollte gern da anknüpfen, wo die deutsche künstlerische Humorzeichnerei vor der Nazizeit stand. Diese Kultur haben die Nationalsozialisten weitgehend zerstört. Nach dem Krieg erholte sie sich erst allmählich, ein erster Höhepunkt war die Neue Frankfurter Schule. Ihre Künstler wie F. K. Waechter, F. W. Bernstein und Robert Gernhardt haben alle schwarzweiß und grafisch reduziert gearbeitet. Ich wollte etwas anderes – illustrative Cartoons, in Farbe. Zeichnungen, die eine eigene Geschichte erzählen, Atmosphäre schaffen, dramatische Kontraste zu einer banalen witzigen Situation. Die lustige Pointe liegt mir nicht so.

Sind Sie froh darüber, eine Nische gefunden und erfolgreich besetzt zu haben?
Auf jeden Fall. Ich habe eine ganze Woche Zeit für einen Cartoon, deshalb kann ich sehr ins Detail gehen. Ich gehöre zu den wenigen arrivierten Cartoonisten, die gut von ihrer Arbeit leben können. Geschätzt sind das leider nicht mehr als fünf Prozent. Ich habe mich über die Anerkennung gefreut, die mit dem Goldenen Bleistift verbunden ist, aber eigentlich finde ich es sinnvoller, wenn jüngere Kollegen gefördert werden. Ein alter Sack wie ich braucht den Preis nicht mehr.

Beziehen Sie Ihre Inspirationen vom Landleben nur aus dem Wendland?
Beileibe nicht, das Wendland ist nicht der Nabel der Welt. Da die Hörzu, mein zentraler Auftraggeber, von dreieinhalb Millionen Menschen gelesen wird, muss ich meinen Humor so zugänglich machen, dass er von allen verstanden werden kann. Witze über komplexere Themen, Atommüll oder Jägerei, zünden nur bei denen, die sich da auskennen. Heute ändert sich das Humorverständnis, politische Themen stoßen auf mehr Interesse. Im Internet werden andere visuelle Techniken entwickelt, wie Memes, animierte Bilder oder kurze Videos. Cartoons für gedruckte Medien sind schon oldschool.

Was machen Sie sonst, in Ihrer Freizeit?
Ich liebe es, Expeditionen in die unendlichen Weiten der Provinz zu machen, am liebsten zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Und besten zusammen mit meiner Partnerin, die ebenso gern durch die Landschaft streift. Politisch bin ich im Gorleben-Archiv engagiert. Außerdem fahre ich das Sofa-Floß für das Museum Hitzacker.

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